Auf nach Italien!

Mit Liebermann in Venedig, Florenz und Rom

„Anch’io in Italien!“

(Max Liebermann, Brief an Richard Graul, Florenz, 14. April 1893)

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Im Jahr 2024 präsentiert die Liebermann-Villa am Wannsee erstmals Max Liebermanns bewegte Beziehung zu Italien und dessen Kulturlandschaft mit einem Fokus auf seine „italienischen“ Werke, seine dortigen Ausstellungsbeteiligungen und die erfolgte Rezeption.

 

INTRO

Anders als seine deutschsprachigen Künstlerkolleg*innen der älteren Generation, vermied Max Liebermann lange Zeit die obligate Bildungsreise nach Italien. Erst im Jahr 1878 überquerte er die Alpen, um nach Venedig zu reisen. Einige seiner Äußerungen lassen auf eine zuweilen ablehnende Haltung gegenüber Italien schließen: Im Gegensatz zu seiner selbsternannten „Malheimat“ Holland bezeichnete er Italien als „zu pittoresk“ und beschrieb sich Anfang der 1890er Jahre sogar als „verhärteten Anti-Italiener“.

Trotz diesen Aussagen begab er sich zwischen 1878 und 1913 mindestens sechsmal nach Italien.  Nachdem Liebermann die erste Fahrt allein unternommen hatte, folgten die nächsten Reisen in Begleitung seiner Frau Martha und seiner Tochter Käthe. Liebermann besichtigte die Kulturstätten Venedigs, Florenz’, Roms und Neapels. Er skizzierte seine Eindrücke und führte sie – oft dann im Berliner Atelier – weiter in Öl aus.

"Auf nach Italien! Mit Liebermann in Venedig, Florenz und Rom", Ausstellungsansicht, 2024 © Thomas Lingens

„Auf nach Italien! Mit Liebermann in Venedig, Florenz und Rom", Ausstellungsansicht, 2024 © Thomas Lingens
„Auf nach Italien! Mit Liebermann in Venedig, Florenz und Rom", Ausstellungsansicht, 2024 © Thomas Lingens
„Auf nach Italien! Mit Liebermann in Venedig, Florenz und Rom", Ausstellungsansicht, 2024 © Thomas Lingens
„Auf nach Italien! Mit Liebermann in Venedig, Florenz und Rom", Ausstellungsansicht, 2024 © Thomas Lingens
„Auf nach Italien! Mit Liebermann in Venedig, Florenz und Rom", Ausstellungsansicht, 2024 © Thomas Lingens
„Auf nach Italien! Mit Liebermann in Venedig, Florenz und Rom", Ausstellungsansicht, 2024 © Thomas Lingens
„Auf nach Italien! Mit Liebermann in Venedig, Florenz und Rom", Ausstellungsansicht, 2024 © Thomas Lingens
„Auf nach Italien! Mit Liebermann in Venedig, Florenz und Rom", Ausstellungsansicht, 2024 © Thomas Lingens
„Auf nach Italien! Mit Liebermann in Venedig, Florenz und Rom", Ausstellungsansicht, 2024 © Thomas Lingens
„Auf nach Italien! Mit Liebermann in Venedig, Florenz und Rom", Ausstellungsansicht, 2024 © Thomas Lingens
„Auf nach Italien! Mit Liebermann in Venedig, Florenz und Rom", Ausstellungsansicht, 2024 © Thomas Lingens
„Auf nach Italien! Mit Liebermann in Venedig, Florenz und Rom", Ausstellungsansicht, 2024 © Thomas Lingens
„Auf nach Italien! Mit Liebermann in Venedig, Florenz und Rom", Ausstellungsansicht, 2024 © Thomas Lingens
„Auf nach Italien! Mit Liebermann in Venedig, Florenz und Rom", Ausstellungsansicht, 2024 © Thomas Lingens
„Auf nach Italien! Mit Liebermann in Venedig, Florenz und Rom", Ausstellungsansicht, 2024 © Thomas Lingens
„Auf nach Italien! Mit Liebermann in Venedig, Florenz und Rom", Ausstellungsansicht, 2024 © Thomas Lingens

VENEDIG

Seine erste Italienreise brachte Max Liebermann im Sommer 1878 mit 31 Jahren nach Venedig. Während diesen Aufenthalts entstanden rund zehn Ölbilder sowie zahlreiche Aquarelle und Zeichnungen. Dargestellt wurden allerdings nicht die berühmten Sehenswürdigkeiten wie der Markusplatz oder der Canal Grande, sondern alltägliche Straßenszenen. 1902 besuchte der Maler, nun Familienvater, die Lagunenstadt erneut.

Gasse
Max-Liebermann, Gassen in Venedig, Ausschnitt, 1878, Hamburger Kunsthalle, bpk © Christoph Irrgang

Ab 1895 wurde die Lagunenstadt durch die Erste internationale Kunstausstellung der Stadt Venedig zu einem Dreh- und Angelpunkt für Kunstinteressierte aus aller Welt. Liebermann unterstützte das venezianische Großprojekt von Anfang an: Er gehörte dem internationalen Patronatskomitee an und präsentierte auf insgesamt acht Biennalen seine Werke.

Plakat der Ersten internationalen Kunstausstellung der Stadt Venedig, Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin e.V. © Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin e.V, Foto: Thomas Lingens

Das Gemälde Brabanter Spitzenklöpplerinnen wurde 1897 auf der zweiten Biennale gezeigt und am Ende der Ausstellung der Galleria Internazionale d’Arte Moderna in Venedig geschenkt – das erste Liebermann-Werk, das in die Sammlung eines italienischen Museums einging.

Max Liebermann, Brabanter Spitzenklöpperinnen, 1893, Ca’ Pesaro - Galleria Internazionale d’Arte Moderna, Fondazione Musei Civici di Venezia 2023 © Photo Archive - Fondazione Musei Civici di Venezia
Max Liebermann, Brabanter Spitzenklöpperinnen, 1893, Ca’ Pesaro - Galleria Internazionale d’Arte Moderna, Fondazione Musei Civici di Venezia 2023 © Photo Archive - Fondazione Musei Civici di Venezia

FLORENZ

Erst im Frühling 1893 überquerte Liebermann ein zweites Mal die Alpen. Ab Mitte April verbrachte er in diesem Jahr mehrere Wochen mit seiner Frau Martha und der damals siebenjährigen Tochter Käthe in Florenz. Neun Jahre später, Mitte September 1902 folgte eine dritte Italienreise. Von seinem Zimmer im Grand Hôtel de la Ville an der Piazza Manin (heute Piazza Ognissanti) aus fing er die Aussicht auf die Dächer von Florenz ein. Diese Pastelle gehören heutzutage zu Liebermanns impressionistischen Hauptwerken.

Monte Oliveto
Max Liebermann, Monte Oliveto Florenz (Dächer in Florenz), 1902, Pastell auf Papier, Privatbesitz © Christoph Irrgang

Max Liebermann war ein großer Verehrer Goethes. Er bezeichnete sich selbst als „enragierte[n] Goetheaner“ und zitierte oft aus dessen Schriften. Ein Brief, den Liebermann 1893 aus Florenz schrieb, beginnt mit dem emphatischen Ausruf: „Anch’io in Italien!“ („Auch ich in Italien!“). Hiermit nimmt der Maler direkten Bezug auf das Motto „Auch ich in Arkadien!“, welchen Goethe seiner Italienische[n] Reise voranstellte.

„Auf nach Italien! Mit Liebermann in Venedig, Florenz und Rom", Ausstellungsansicht, 2024 © Thomas Lingens

1908 besuchte der Maler ein letztes Mal die Stadt am Arno. Bei dieser Reise entdeckte er die Pferderennen im Parco delle Cascine. Im selben Jahr wurde er von der Direktion der Uffizien beauftragt, ein Selbstbildnis für die renommierte Porträtsammlung des Museums anzufertigen. Zurück in Berlin machte sich Liebermann sogleich an die Arbeit. Das Werk befindet sich noch heute in der Sammlung der Uffizien und zeigt ihn beim Malen an der Staffelei.

Max Liebermann, Selbstbildnis an der Staffelei nach rechts, 1908, Gallerie degli Uffizi, Florenz © Gabinetto Fotografico delle Gallerie degli Uffizi

ROM

Im Oktober 1902 betrat Max Liebermann zum ersten Mal die Ewige Stadt. Im Vatikan besichtigte er den Petersdom und den Apostolischen Palast mit den Vatikanischen Sammlungen. In der Sixtinischen Kapelle beobachtete er den Empfang einer ekstatischen, herandrängenden Pilgergruppe durch Papst Leo XIII. Dieses Motiv führte er später in einem großformatigen Gemälde aus.

Max Liebermann, Pilger in der Sixtinischen Kapelle, Studie zum Gemälde Papst Leo XIII. segnet die Pilger in der Sixtinischen Kapelle, 1902, Staatliche Kunstsammlungen Dresden © Kupferstich-Kabinett, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Thomas Lingens

Anlässlich der Esposizione Internazionale di Roma, eine Ausstellung zum 50. Jahrestag der Einigung Italiens, reiste Liebermann mit seiner Familie ein zweites Mal in die italienische Hauptstadt. Der Ausblick von der Terrasse des Monte Pincio über Rom bot Inspiration für das Bildmotiv Corso auf dem Monte Pincio. Dieses Sujet wiederholte Liebermann bis etwa 1932 in mehreren Bildkompositionen in Öl und als Druckgrafik.

Monte Pincio
Max Liebermann, Corso auf dem Monte Pincio in Rom, 1930–1932, Privatbesitz © Grisebach GmbH

KÜNSTLERPRÄSENZ IN ITALIEN

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 markiert das Ende von Liebermanns Auslandsreisen, er sollte nicht mehr nach Italien zurückkehren. Allerdings war seine Kunst bis zu seinem Tod im Jahr 1935 auf mindestens 20 italienischen Gruppenausstellungen in Florenz, Mailand, Rom, Turin und Venedig vertreten. Im März 1924 fand die erste Einzelausstellung Max Liebermanns in Italien, eine Präsentation seiner Druckgrafik in der Mailänder Galleria Pesaro, statt.

„Auf nach Italien! Mit Liebermann in Venedig, Florenz und Rom", Ausstellungsansicht, 2024 © Thomas Lingens

Italien am Wannsee: Das Wandbild in der Loggia

Das Liebermann’sche Sommerhaus am Wannsee wurde 1910 vollendet. Spätestens Anfang 1911 plante der Künstler, die Loggia auf der Seeseite des Hauses mit einem Wandbild zu versehen. Laut seines Biografen Erich Hancke war zunächst eine Familienszene vorgesehen, ein Selbstporträt mit Frau und Tochter. Doch seine Italienreise im Frühjahr 1911 brachte ihn auf eine andere Idee.

Während seines Aufenthalts in Rom besuchte Max Liebermann die nach der Gattin des Kaisers Augustus benannte Villa der Livia, etwa 15 km nördlich der Stadt. Diese um 40 v. Chr. errichtete Villa wurde ab 500 n. Chr. nicht weiter genutzt. Die Entdeckung eines halbunterirdischen Raums im Jahr 1863 und das darin enthaltene antike Fresko sorgte in ganz Europa für großes Aufsehen.

 

Der gemalte Garten aus der Villa der Livia, Detail, Südwand, 38-20 v. Chr., Museo Nazionale Romano, Rom © Museo Nazionale Romano, Foto: Simona Sansonetti

Die Wandmalereien zeigen einen idyllischen Garten mit blühenden Pflanzen, bunten Vögeln und Früchte tragenden Bäumen. Liebermann war tief beeindruckt. Zurück am Wannsee machte er sich im Sommer 1911 sofort an die Arbeit und schuf in seiner Loggia eine eigene Interpretation der in Italien erlebten antiken Wandbilder. Damit bleibt eine permanente Erinnerung an Max Liebermanns Italienreisen in seiner ehemaligen Villa am Wannsee erhalten.

Max Liebermann
Max Liebermann vor der Loggia, 1914 Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin e.V.

Max Liebermann, Corso auf dem Monte Pincio, 1911, Privatbesitz © 2019 Christie’s Images Limited, Foto: Thomas Lingens
Max Liebermann, Pferderennen in den Cascinen, Studie, 1909, Privatsammlung, Foto: Thomas Lingens
Max Liebermann, Tuchwalke in Florenz, 1893, Privatsammlung © Kunsthaus Lempertz, Foto: Thomas Lingens
Max Liebermann, Badende Knaben mit Strandwächter, 1899, Galeria d’Arte Moderna di Milano, Collezione Grassi © Comune di Milano, Foto: Thomas Lingens
Max Liebermann, Corso auf dem Monte Pincio, 1911, Privatbesitz © 2019 Christie’s Images Limited, Foto: Thomas Lingens
Max Liebermann, Pferderennen in den Cascinen, Studie, 1909, Privatsammlung, Foto: Thomas Lingens
Max Liebermann, Tuchwalke in Florenz, 1893, Privatsammlung © Kunsthaus Lempertz, Foto: Thomas Lingens
Max Liebermann, Badende Knaben mit Strandwächter, 1899, Galeria d’Arte Moderna di Milano, Collezione Grassi © Comune di Milano, Foto: Thomas Lingens

Idee & Konzept: Alice Cazzola, Laureline van den Heuvel
Redaktion: Sophie Radecker, Lia Knoll
Grafik: Ta-Trung Berlin
Programmierung: Berliner Süden