Max Liebermann
„Ein Kunstwerk ist vollendet, wenn der Maler das, was er hat ausdrücken wollen, ausgedrückt hat.“
Max Liebermann – Busch, G. (Hg.), Max Liebermann. Die Phantasie in der Malerei. Schriften und Reden, Frankfurt am Main 1978, S. 30.
Wegbereiter der Moderne
Max Liebermann war einer der bedeutendsten Künstler der Moderne. Anfangs als „Armeleutemaler“ dem Realismus und Naturalismus verschrieben, wurde er später zum Vorreiter einer neuen Kunstrichtung und ebnete den Weg in die Moderne. Er revolutionierte die in der Akademie gelehrte kaisertreue Malerei und zählt neben Max Slevogt und Lovis Corinth zu den wichtigsten Vertretern des deutschen Impressionismus.
Weimar
Max Liebermann wurde am 20. Juli 1847 als zweiter Sohn eines wohlhabenden jüdischen Textilunternehmers Louis Liebermann und seiner Frau Philippe (geb. Haller) in Berlin geboren. Nachdem er als Schüler Zeichenunterricht bei Carl Steffeck erhalten hatte, studierte er ab 1868 an der Großherzoglich-Sächsischen Kunstschule in Weimar. Hier entstand sein erstes größeres Gemälde, „Die Gänserupferinnen“ (1872), das sich heute in der Sammlung der Nationalgalerie in Berlin befindet.
Paris
Nach seinem Studium in Weimar ließ sich der junge Liebermann in Paris 1873 nieder. Während seiner Studienjahre in Paris ab 1874 widmete er sich verstärkt dem Leben und der Arbeit der Landbevölkerung. Im Sommer 1874 erzielte er mit seinem Ölgemälde „Die Gänserupferinnen“ seinen ersten großen Erfolg im Pariser Salon.
Niederlande
Nachhaltigen Einfluss auf die Malerei Liebermanns übte in den 1870er Jahren auch die niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts aus. Er fand Inspiration bei den alten Meistern der holländischen Kunst. Ab 1874 verbrachte der Künstler die Sommermonate regelmäßig in Holland. Zwischen 1874 und 1913 reiste er fast jeden Sommer zum Malen ins Nachbarland.
München
Da es Max Liebermann nicht gelang, in Paris Fuß zu fassen, folgte er dem Rat seines Freundes, dem Porträtmaler Franz Lenbach (1836–1904) und zog weiter nach München. Dort lernte er den Maler Wilhelm Leibl (1844–1900), einen bedeutenden Vertreter des deutschen Realismus, kennen und intensivierte seine Beschäftigung mit ländlichen Motiven. 1879 löste sein erstes Historiengemälde „Der zwölfjährige Jesus im Tempel“ auf der 2. Internationalen Kunstausstellung in München einen großen Eklat aus.
Berlin
1884 kehrte Liebermann zurück in seine Heimatstadt Berlin und heiratete Martha Marckwald (1857–1943). Im Sommer 1885 wurde das einzige Kind, ihre Tochter Käthe (1885–1952), geboren. In den darauffolgenden Jahren wandte sich Liebermann zunehmend gegen den Akademismus des Kaiserreichs.
Aktivitäten in Berlin
Von der königlichen Akademie wurde zunächst alle zwei Jahre eine Kunstausstellung veranstaltet, welche als wichtigstes kulturelles Ereignis in Berlin galt. Ab 1876 fanden die Ausstellungen jährlich statt. Die konservativ orientierten Mitglieder der Akademie und der „Verein Berliner Künstler“ prägten jahrzehntelang die zeitgenössische Kunstauffassung, sodass es dem Berliner Kunstleben an neuen Impulsen fehlte.[1]
Die Vereinigung der XI
Ab Mitte der 1880er Jahre kämpfte Liebermann vehement gegen den Akademismus des Kaiserreichs. 1892 wird er Mitbegründer der Künstlergruppe „Vereinigung der XI“, deren Ziel es ist, freie Kunstausstellungen außerhalb des etablierten Kunstbetriebs in Berlin zu organisieren.
Die Berliner Secession
1898 wurde Liebermann zum Mitglied der Berliner Königlichen Akademie der Künste und zum Professor ernannt. Ein Jahr später gründete sich die „Berliner Secession“, deren Präsidentschaft Liebermann übernahm. Nach München und Wien gab es in Berlin die dritte Gründung dieser Art, die sich gezielt gegen das akademische Kunstverständnis richtete.
Stilistische Veränderungen
In den 1890er Jahren wandelten sich Liebermanns Bildmotive und sein Malstil: Die Palette hellte sich auf, die Farben wurden leuchtender, er gab nun Szenen des gehobenen Bürgertums den Vorzug. So entstanden in den Sommermonaten im holländischen Badeort Noordwijk Strand- und Reiterbilder, während der Künstler sich in Berlin zu einem gefragten Porträtmaler entwickelte.
Ein gefragter Porträtist
Um die Jahrhundertwende entwickelte sich Liebermann zu einem anerkannten und gefragten Porträtisten, von dem sich zahlreiche Zeitgenoss*innen aus Kunst, Politik und Industrie verewigen ließen. Seine Porträts spiegelten die geistige und künstlerische Elite Deutschlands der damaligen Zeit wider: darunter Schriftsteller wie Gerhard Hauptmann, Komponisten wie Richard Strauss, Architekten wie Hans Grisebach, Ärzte wie Ferdinand Sauerbruch, Kunsthistoriker wie Wilhelm von Bode, Verleger wie Samuel Fischer, Unternehmer wie Emil Rathenau, Politiker wie Friedrich Naumann, Schauspielerinnen wie Else Lehmann und viele mehr.
Sommervilla am Wannsee
1909 erwarb die Familie eines der letzten noch freien Grundstücke in der „Colonie Alsen“ am Wannsee. Hier ließ sich Liebermann von Paul Otto Baumgarten ein Sommerhaus errichten. Den Garten plante sein Freund Alfred Lichtwark (1852–1914), Direktor der Hamburger Kunsthalle, im Sinne der „Gartenreform“. Zahllose Gemälde aus der Zeit ab 1910 verdeutlichen, wie fruchtbar die vielen sommerlichen Aufenthalte am Wannsee für Liebermanns Kunst wurden.
Präsident der Preußischen Akademie der Künste
1920 wird der Künstler auch zum Präsidenten der Akademie der Künste ernannt. Anlässlich seines 80. Geburtstags veranstaltete die Akademie 1927 eine umfassende Liebermann-Ausstellung mit 100 Werken. Weitere Ehrungen erreichten ihn im selben Jahr durch die Verleihung des Ordens „Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste“, die damals höchste Auszeichnung. Ebenso erhielt er die Berliner Ehrenbürgerschaft.
Antisemitische Bedrohung
1932 ernannte die Akademie der Künste Liebermann zum Ehrenpräsidenten. Trotz dieser hohen Ehre verliefen seine letzten Lebensjahrzehnte jedoch alles andere als ungetrübt. Der Antisemitismus, mit dem er zeitlebens zu kämpfen hatte, verankerte sich nach dem Ersten Weltkrieg immer stärker in der deutschen Gesellschaft. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 zementierte diese äußerst bedrohliche Entwicklung. 1933, als die Akademie angekündigt hatte, keine Werke jüdischer Künstler mehr auszustellen, legte er das Amt nieder und erklärte öffentlich seinen Austritt.
Tod 1935
Am 8. Februar 1935 starb der Maler verbittert und von den Nationalsozialisten verfemt in seinem Stadtpalais am Pariser Platz. Er wurde auf dem Jüdischen Friedhof Schönhauser Allee beigesetzt. Max Liebermanns Tod wurde offiziell mit Stillschweigen übergangen und nur wenige Menschen wohnten der Trauerfeier bei. Als jüdischer Künstler wurde seine Kunst aus deutschen Museen entfernt.
Das Schicksal der Familie Liebermann
Max Liebermanns Tochter Käthe musste mit ihrer Familie ins Ausland flüchten. Die 82–jährige Martha Liebermann war den sich verschärfenden Repressionen des NS-Regimes gegen die jüdische Bevölkerung ausgeliefert. 1940 wurde sie gezwungen, das Grundstück am Wannsee samt Haus und Inventar an die Deutsche Reichspost zu verkaufen. Sie entzog sich im März 1943 der angekündigten Deportation nach Theresienstadt durch eine Überdosis Schlafmittel. Wenige Tage später verstarb sie im Jüdischen Krankenhaus und wurde am 23. März 1943 auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin–Weißensee beigesetzt und später zu Ihrem Ehemann auf den Jüdischen Friedhof Schönhauser Allee umgebettet.
Max Liebermann heute
Heute wird dem Berliner Künstler besondere kunstgeschichtliche Bedeutung beigemessen, da er sich vom realistischen Akademismus abwandte, durch seine Orientierung an den französischen Impressionisten einen neuen europäischen Malstil prägte und als Wegbereiter der Moderne gilt. Als Mitbegründer der Berliner Secession und späterer Präsident der Akademie der Künste Berlin bekleidete er wichtige kulturpolitische Ämter in der Weimarer Republik, was ihn zu einem hochgeschätzten Zeitgenossen machte. Max Liebermann ist in Museumssammlungen in ganz Deutschland vertreten wie auch in Frankreich, Großbritannien, Italien, Schweiz, Österreich und Israel.
Quellen
Busch, G. (Hg.), Max Liebermann. Die Phantasie in der Malerei. Schriften und Reden, Frankfurt am Main 1978, S. 30.
[1] Klaas, T., Berliner Kunstleben zur Zeit Max Liebermanns, in: Achenbach, S., Eberle, M. (Hg.), Max Liebermann in seiner Zeit, Ausst. Kat. Berlin, Nationalgalerie Berlin, 06.09. – 04.11.1979, Berlin 1979, S. 72.
Allgemeine Quellen zum Weiterlesen
Martin Faass (Hrsg.): Die Idee vom Haus im Grünen. Max Liebermann am Wannsee, Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin e.V., Berlin 2010.
Lucy Wasensteiner (Hrsg.): Wir feiern Liebermann! Leihgaben aus deutschen Sammlungen zu 25 Jahren Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin e.V., Max-Liebermann-Gesellschaft, Berlin 2020.
Martin Faass (Hrsg.): Martha Liebermann (1857-1943), Lebensbilder, Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin e.V., Berlin 2007.
Martin Faass (Hrsg.): Verlorene Schätze. Die Kunstsammlung von Max Liebermann, Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin e.V., Berlin 2013.
Marina Sandig: Die Liebermanns. Ein biographisches Zeit- und Kulturbild der preußisch-jüdischen Familie und Verwandtschaft von Max Liebermann, Berlin 2005.
Matthias Eberle: Max Liebermann. 1847 – 1935. Werkverzeichnis der Gemälde und Ölstudien, Band 1 und 2, Hirmer Verlag, München 1995 und 1996.
Anke Matelowski: Die Berliner Secession 1899-1937, Chronik, Kontext und Schicksal, Wädenswil am Zürichsee 2017.
Ernst Braun: Max Liebermann. Briefe, Band 1-9, Schriftenreihe der Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin e.V., Deutscher Wissenschafts-Verlag, Baden-Baden 2011-2021.
Wolfgang Leicher: Max Liebermann. Briefe, Band 9/II: Nachträge, Die Ausstellungen der Werke Max Liebermanns zwischen 1870 und 1945, Schriftenreihe der Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin e.V., Deutscher Wissenschafts-Verlag, Baden-Baden 2021.
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Redaktion: Miriam Barnitz, Naciye Kazan, Viktoria Bernadette Krieger, Elisa Plitt
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