Hans Meid
21.4.2022 von Dr. Dominik Bartmann
In Liebermanns Fußstapfen
Anlässlich unserer Sonderausstellung „Schwarz-Weiß. Liebermanns Druckgrafik“ zeigen wir im ehemaligen Speisezimmer den Radier-Zyklus „Othello“ von Hans Meid, der ein Protegé von Max Liebermann war. Dominik Bartmann, Vorstandsmitglied der Hans-Meid Stiftung, widmet sich im Folgenden dem Leben und dem Werk des Künstlers.
Hans Meid gehörte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu den populärsten Künstlern Deutschlands. Heute ist er fast vergessen. Ihn in Beziehung zu Max Liebermann zu setzen, erscheint auf den ersten Blick überraschend. Tatsächlich haben sich ihre Wege mehrfach gekreuzt, wobei Liebermann – als der um eine Generation Ältere – den Jüngeren mehrfach förderte.
Geboren 1883 in Pforzheim, studierte Meid 1899 an der Großherzoglichen Kunstgewerbeschule und zwischen 1900 und 1906 an der Großherzoglichen Kunstschule in Karlsruhe. Unverkennbar treten seine Handschrift, Phantasie und die Fähigkeit, den Betrachter in eine Traumwelt zu versetzen, bereits um 1900 zu Tage. Als Malereivorsteher der Meißner Porzellanmanufaktur 1907/08 erarbeitete er sich jene Ikonografie, die ihn zum Schöpfer eines modernen Rokokos werden ließ.
1908 siedelte Meid mit seiner Familie nach Berlin über und schloss sich 1910 der von Liebermann angeführten Berliner Secession an. Seinen Durchbruch erzielte Meid mit den Radierzyklen Othello und Don Juan. 1911 hielt er sich infolge des im Vorjahr verliehenen Villa-Romana-Preises des Deutschen Künstlerbundes in Florenz auf. Hier entstanden die Bilder zu Othello, die im selben Jahr im Verlag Jacques Casper erschienen. Zu der Arbeit hatte sich Meid anlässlich eines Abstechers nach Venedig inspirieren lassen. Die Atmosphäre der Lagunenstadt, aber auch die Architektur der florentinischen Renaissance und des römischen Barocks flossen in die Kulisse ein.
Auch der Don-Juan-Zyklus hatte seinen Ursprung in Florenz. 1912 ritzte Meid die Illustrationen zu Mozarts Oper in die Zinkplatten. Wiederum bildet das virtuose Gegenspiel von Licht- und Schattenzonen ein durchgängiges Element. Als Herausgeber der bibliophilen Mappe fungierte Paul Cassirer (1871–1926). Dieser pflegte bis zu seinem Tod 1926 eine enge Geschäftsbeziehung zu Meid, ohne dass es sich um ein Exklusivbündnis gehandelt hätte.
Vermutlich hätte Meid keinen Anlass gesehen, sein dem Zeitgeschehen entrücktes Weltbild zumindest vorübergehend in Frage zu stellen, wäre nicht der Erste Weltkrieg ausgebrochen. Liebermanns prononciert patriotische Haltung, die diesen über die tiefgreifenden kunstpolitischen Differenzen zwischen Moderne und Monarch hinwegsehen ließ, machte er sich jedoch nicht zu eigen. Meid wurde 1914 als Armierungssoldat einberufen. Als junger Mann hatte er wegen eines Herzfehlers und starker Weitsichtigkeit keinen Wehrdienst leisten müssen und galt als nicht fronttauglich. Dank einer Intervention von Liebermann gelang Meids Versetzung in die kartografische Abteilung des Stellvertretenden Generalstabs in Berlin. Meid tat hier bis 1918 Dienst, wo er Generalstabskarten zeichnete und korrigierte.
1919 wurde Meid zum Außerordentlichen Professor an die Vereinigten Staatsschulen für Kunst in Berlin berufen. Der berufliche Erfolg in politisch instabiler Zeit manifestierte sich im Kauf einer Villa im damaligen Vorort Steglitz. Das Speisezimmer dekorierte er mit chinoisen Landschaften im Spannungsfeld zwischen Historismus und Reformkunst. 1927 folgte die Wahl zum Ordentlichen Mitglied der Preußischen Akademie der Künste. Bühnenbildarbeiten für Max Reinhardt, Wandmalereien in dessen Theater Komödie am Kurfürstendamm und zahlreiche Reiseimpressionen aus dem Süden ergänzten das umfangreiche druckgrafische Schaffen während der Weimarer Republik.
Bis 1925 nutzte Meid die Möglichkeit Prachtbände mit Radierungen und Lithografien zu illustrieren. Danach sind nur noch mit Federzeichnungen illustrierte Bücher nachzuweisen, die hohe Auflagen erlaubten. Nach 1930 konzentrierte er sich auf die Buchgestaltung, wobei er vor allem die Umschlag- bzw. Einbandillustrationen übernahm.
Der NS-Ideologie stand Meid ablehnend gegenüber. Dennoch geriet er als Mitglied der Preußischen Akademie der Künste in den Strudel der nationalsozialistischen „Gleichschaltung“. Meid nahm an der denkwürdigen Beratung vom 15. Februar 1933 teil, die der Akademiepräsident Max von Schillings wegen drohender Auflösung durch den kommissarischen Kultusminister Bernhard Rust kurzfristig einberufen hatte. Sie endete mit den Austritten der Grafikerin Käthe Kollwitz, des Schriftstellers Heinrich Mann und des Stadtbaurats Martin Wagner. Zum 21. Januar 1934 übertrug Rust die Vorsteherstelle des Meisterateliers für Grafik, die Käthe Kollwitz zwar nicht mehr formell, aber faktisch noch bis Herbst 1933 ausübte, an Hans Meid. Die Ernennung Meids zum Mitglied des Senats der Abteilung bildende Künste erfolgte am 25. Mai 1934. Als einer der wenigen Senatsmitglieder trat er nicht der NSDAP bei. Während sich andere Mitglieder der Akademie in ihrer Motivwahl dem NS-Regime andienten, biederte sich Meid nicht an. Insgeheim verfasste er in den folgenden Jahren eine Reihe von Spottgedichten auf den Nationalsozialismus.
1943, nach Zerstörung seiner Steglitzer Villa durch Bomben und dem Verlust der dort gelagerten Werke, siedelte Meid in die Steiermark über. 1944 floh der durch die Zeitumstände psychisch und physisch erkrankte Künstler nach Thüringen. Nach kurzem Zwischenaufenthalt in Franken wurde er 1947 von Theodor Heuss, damals Kultusminister des Landes Württemberg-Baden, an die Staatliche Kunstakademie Stuttgart berufen. 1957 starb Meid in seiner Wohnung in einem Flügel des Schlosses Ludwigsburg. Er war seiner von den Zeitläufen weitgehend unberührten Thematik über vier politische Systeme hinweg, bis zum Ende seines Lebens, treu geblieben. Als Maler, Zeichner und Illustrator, vor allem aber als virtuoser Grafiker harrt er trotz verschiedener Ausstellungen der jüngeren Zeit noch immer einer Wiederentdeckung.