Monte Oliveto
Max Liebermann, Monte Oliveto Florenz (Dächer in Florenz), 1902, Pastell auf Papier, Privatbesitz © Christoph Irrgang

Italien am Wannsee! Ein Blick in die „italienische“ Ausstellung der Liebermann-Villa

06.5.2024 von Alice Cazzola, Kuratorin der Ausstellung

Mit dem Ausstellungsprojekt „Max Liebermann in Italien“ widmen sich die Liebermann-Villa am Wannsee und ihr Kooperationspartner, das Museum Casa di Goethe in Rom, einem gänzlich unerforschten Thema, das neue Perspektiven auf einen der bedeutendsten Künstler Berlins eröffnet.[1] Während die Ausstellung „Auf nach Italien! Mit Liebermann in Venedig, Florenz und Rom“ in der Liebermann-Villa (4. Mai bis 2. September 2024) einen ersten Blick auf Liebermanns Verbindungen zu Italien wirft, präsentiert die zweite Schau „Max Liebermann. Ein Impressionist aus Berlin“ (20. September bis 9. Februar 2025) im Museum Casa die Goethe erstmalig das Leben und Werk des deutsch-jüdischen Künstlers einem italienischen Publikum. Im Fokus des Ausstellungsprojekts stehen sowohl Liebermanns Werke mit italienischem Motiv als auch jene Arbeiten, die heute in prominenten italienischen Museen in Florenz, Mailand, Triest und Venedig aufbewahrt sind.

Italienische Spuren in Liebermanns Werk

Was verbindet Max Liebermann mit Italien? Mit dieser Frage begeben uns auf ein so spannendes wie wenig bekanntes Terrain, das in der Liebermann-Forschung bislang unbeachtet blieb. Über Jahrzehnte waren Frankreich und vor allem die Niederlande bevorzugte Reiseziele und bedeutende Inspirationsquellen des Berliner Malers. Anders als seine deutschsprachigen Künstlerkolleg*innen der älteren Generation vermied Liebermann lange Zeit die obligate Bildungsreise nach Italien. So lassen einige seiner Äußerungen auf eine zuweilen ablehnende Haltung gegenüber Italien schließen: Anfang der 1890er Jahre beschrieb er sich sogar als „verhärteten Anti-Italiener“[2] und bezeichnete 1900 Italien als „zu pittoresk“[3] im Vergleich zu seiner „Malheimat“ Holland. Insofern ist es nicht erstaunlich, wenn Erich Hancke in seiner Liebermann-Monografie über das Verhältnis zu Italien schrieb: „Dem durchaus nordisch empfindenden Künstler fehlte der Sinn, sowohl für die Natur, als auch für die Kunst des Landes.“[4]

Doch diese Zitate schmälern die eigentliche Bedeutung Italiens für Liebermann. Zwischen 1878 und 1913 unternahm der Maler mindestens sechs Reisen nach Italien. Vor Ort trat er in Kontakt mit der italienischen Kunstszene und fand durchaus Inspiration für die eigenen Werke. Er griff zahlreiche italienische Motive in seinen Arbeiten auf und beteiligte sich an internationalen Ausstellungen im Königreich Italien. Außerdem fanden seine Werke Eingang in italienische Museen – 1908 beauftragte ihn die Direktion der Uffizien, ein Selbstbildnis für seine renommierte Sammlung von Künstler*innenporträts anzufertigen.

Max Liebermann, Selbstbildnis an der Staffelei nach rechts, 1908, Gallerie degli Uffizi, Florenz © Gabinetto Fotografico delle Gallerie degli Uffizi

Venedig

Anhand eines chronologischen und geografischen Erzählungsstrangs nimmt die Berliner Ausstellung Liebermanns wichtigste Reisestationen in Venedig, Florenz und Rom in den Blick.  Seine erste Italienreise führte ihn im Alter von 31 Jahren nach Venedig. Während dieses zweimonatigen Aufenthalts entstanden zahlreiche Ölbilder, Aquarelle und Zeichnungen, die allerdings nicht die typischen Veduten des Markusplatz oder des Canal Grande abbilden, sondern alltägliche Szene in den Gassen darstellen.

Max Liebermann, Gasse in Venedig, 1878, Hamburger Kunsthalle © Hamburger Kunsthalle / bpk, Foto: Christoph Irrgang

Ab 1895 wurde die Lagunenstadt durch die Erste Internationale Kunstausstellung der Stadt Venedig zu einem Dreh- und Angelpunkt für Kunstinteressierte aus aller Welt. Liebermann unterstützte das venezianische Großprojekt von Anfang an: Er gehörte dem internationalen Patronatskomitee an und präsentierte seine Werke auf insgesamt acht Biennalen. Im Zuge der zweiten Biennale im Jahr 1897 wurde Liebermanns Gemälde Brabanter Spitzenklöpplerinnen der Galleria Internazionale d’Arte Moderna in Venedig geschenkt – das erste Liebermann-Werk, das in die Sammlung eines italienischen Museums einging.

Florenz und Rom

Liebermann überquerte die Alpen erst im Frühling 1893 ein zweites Mal. Ab Mitte April verbrachte er in diesem Jahr mehrere Wochen mit seiner Frau Martha und seiner siebenjährigen Tochter Käthe in Florenz. Gemeinsam besichtigten sie die Sehenswürdigkeiten und Kunstsammlungen der Stadt. Zurück in seinem Berliner Atelier malte Liebermann Ende Mai die Werkstatt eines Tuchwalkers in Florenz. Neun Jahre später, Mitte September 1902, begab sich Liebermann wieder in Begleitung seiner Familie auf eine dritte Italienreise. Von seinem Zimmer im Grand Hôtel de la Ville an der Piazza Manin (heute Piazza Ognissanti) aus fing er die Aussicht auf die Dächer von Florenz ein. Diese Pastelle gehören heutzutage zu Liebermanns impressionistischen Hauptwerken.

Monte Oliveto

Max Liebermann, Monte Oliveto Florenz (Dächer in Florenz), 1902, Pastell auf Papier, Privatbesitz, Foto Christoph Irrgang, Hamburg

Im Oktober 1902 besuchten die Liebermanns zum ersten Mal die Ewige Stadt. In der Galleria Doria Pamphilj sah der Maler das Velázquez-Porträt von Papst Innozenz X., im Vatikan besichtigte er den Petersdom und den Apostolischen Palast mit den Vatikanischen Sammlungen. In der Sixtinischen Kapelle beobachtete er den Empfang einer ekstatischen, herandrängenden Pilgergruppe durch Papst Leo XIII. Dieses Motiv skizzierte Liebermann direkt vor Ort., bis er es später in einem großformatigen Gemälde ausführte.

1911 reiste Liebermann mit seiner Familie ein zweites Mal in die italienische Hauptstadt. Anlass war die Esposizione Internazionale di Roma, eine Ausstellung zum 50. Jahrestag der Einigung Italiens, auf der Liebermann mit zahlreichen Werken im Deutschen Pavillon vertreten war. Der Ausblick von der Terrasse des Monte Pincio über Rom bot Inspiration für das Bildmotiv Corso auf dem Monte Pincio. Dieses Sujet wiederholte Liebermann bis etwa 1932 in mehreren Bildkompositionen in Öl und Druckgrafik.

Monte Pincio

Max Liebermann, Corso auf dem Monte Pincio in Rom, 1930–1932, Privatbesitz © Grisebach GmbH

Auf dieser Reise besuchte Liebermann vermutlich die nördlich von Rom gelegene Villa der Livia bei Prima Porta. Dort bewunderte er das um 40–20 v. Chr. antike Wandbild eines idyllischen Gartens mit blühenden Pflanzen, bunten Vögeln und Früchte tragenden Bäumen. Liebermann war tief beeindruckt. Zurück am Wannsee machte er sich im Sommer 1911 sofort an die Arbeit und schuf in seiner Loggia eine eigene Interpretation, die bis heute in Teilen erhalten ist. 1913 reiste Liebermann ein letztes Mal nach Italien und erreichte im April erstmalig Neapel, den südlichsten Ort auf der italienischen Halbinsel, den er je betreten sollte. Auch wenn der Ausbruch des Ersten Weltkriegs seinen Italienreisen ein jähes Ende setzte, blieb er weiterhin in regem Austausch mit der italienischen Kunstszene, dank seiner Beteiligung an internationalen Kunstausstellungen.

Max Liebermann

Max Liebermann vor der Loggia, 1914 Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin e.V.

Mehr über den künstlerischen Austausch und die gegenseitige Wertschätzung zwischen Liebermann und seinen italienischen Zeitgenoss*innen – darunter der Triester Maler Umberto Veruda und die Mailänder Kunstkritiker Vittorio Pica und Guido Lodovico Luzzatto – können Sie anhand von Kunstwerken, Fotografien und Schriftstücke in unserer Ausstellung erfahren.

 

[1] Max Liebermanns biografische, künstlerische und kulturpolitische Beziehungen zu Italien sind Gegenstand meines laufenden Dissertationsprojekts an der Universität Heidelberg. Mehr Informationen zur Ausstellungen finden Sie im begleitenden Publikation Lucy Wasensteiner, Alice Cazzola, Gregor H. Lersch (Hrsg.), Max Liebermann in Italien/Max Liebermann in Italia, Ausst.-Kat. Liebermann-Villa am Wannsee Berlin und Museum Casa di Goethe Rom 2024–2025, Berlin 2025.
[2] Max Liebermann, Brief an Anna Liebermann, vor dem 17. Mai 1893, zitiert nach Ernst Braun (Hrsg.), Max Liebermann: Briefe. 1869–1895, Schriftenreihe der Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin e.V., Bd. 1, Baden-Baden 2011, S. 285–286.
[3] Max Liebermann, Jozef Israels [sic], in: Zeitschrift für bildende Kunst, NF, Jg. 12, Nr. 1, Oktober 1900, S. 145–156, hier S. 154–155
[4] Erich Hancke, Max Liebermann. Sein Leben und seine Werke, Berlin 1914, S. 129.