Originell muss es sein
29.12.2022 von Viktoria Bernadette Krieger
Zur neusten Dauerleihgabe
Seit ihren Anfängen als Museum, wird die Liebermann-Villa am Wannsee tatkräftig mit Dauerleihgaben aus privater Hand und aus Museen, u.a. der Nationalgalerie und dem Stadtmuseum, unterstützt. Durch diese Großzügigkeit können wir immer wieder „neue“ und wohlbekannte Liebermann-Werke bei uns in den Räumen zeigen. Mit diesem Blogbeitrag stellen wir zum Jahresabschluss die jüngste Dauerleihgabe vor und bedanken uns herzlich bei unseren zahlreichen Förder*innen. Nur dank Ihrer Unterstützung können wir solch eine Vielfalt an Werken bei uns am Wannsee präsentieren.
„Selbstbildnis vor der Staffelei, sitzend nach rechts“ (1932)
Seit November 2022 bereichert unsere Sammlung eine besonders schöne Privatleihgabe, welche Max Liebermann (1847-1932) vor der Staffelei beim Malen zeigt. Im Rahmen seiner vielen Jahre des künstlerischen Schaffens, führte Liebermann an die 69 Selbstbildnisse in Öl aus, zahlreiche weitere Zeichnungen und Druckgrafiken. Liebermanns Selbstporträts sind ein Werkkomplex für sich und es lohnt sich, diesen genauer in Augenschein zu nehmen.
Das hier präsentierte Werk ist ein besonders spätes und entstand, als der Künstler schon 85 Jahre alt war. Betrachtet man Liebermanns Bildnisse in der Gänze fällt auf, dass sich diese in den Jubiläumsjahren 1907, 1917, 1922, 1932 häufen. Meist stellte sich der Berliner elegant gekleidet in Anzug mit Weste und Einstecktuch dar, viel seltener im weißen Malkittel. So ist dieses eines der Bilder, die Aufschluss darüber geben, wie genau der Künstler in seinem Atelier arbeitete.
Porträt im Porträt
Auf der Leinwand ist ein Frauenbildnis konturenhaft zu erkennen. Die Dame mit rotem Haar soll laut Matthias Eberle, dem Verfasser des Werkverzeichnisses, Senta Goeritz (1893- 1971) darstellen. Goeritz war eine bekannte Kunstsammlerin, welche später mit ihrem Ehemann, dem Textilunternehmer Erich Goeritz, großzügig ihre Werke als Dauerleihgaben dem neugegründeten Tsina-Dizengoff-Museum in Tel Aviv überließ. Die in Berlin ansässige jüdische Familie aus Chemnitz hatte 1934 über Luxemburg emigrieren müssen und konnte sich in Großbritannien in Sicherheit bringen.
Ein Bar-Mizwa-Geschenk
Laut Matthias Eberle entstanden von diesem hier vorgestellten Bild einige Varianten genau in demselben Format. Der Künstler verschenkte diese später im Freundes- und Bekanntenkreis. So heißt es im Werkverzeichnis weiter, dass Liebermann dem Sohn von Senta Goeritz zur Bar Mizwa eines dieser Selbstbildnisse überreicht hätte. Nach jüdischer Tradition feiern 13-jährige Jungen an diesem Tag ihre religiöse Volljährigkeit.
Der Maler soll dargestellt sein
Was der Künstler mit dieser Darstellung beabsichtigte, wird aus einem erhaltenen Brief ersichtlich. Max Liebermann schrieb Ende des Jahres 1932 an den Arzt Wilhelm Rösgen:
„[…] Und die Hauptsache bei jedem Kunstwerk, klein oder groß, daß es originell ist. Den Kopf eines Greises u [sic] zwar meinen eigenen will ich Ihnen malen u [sic] zwar wie auf einliegender Skizze: wie ich an dem Porträt einer sehr schönen Frau male. Natürlich ist es Nebensache, daß das Bildchen mich darstellt: der Maler soll dargestellt werden, wie er arbeitet u das Ganze ist auf den fertigen Eindruck concipiert […] Sollte Ihnen die Idee gefallen, würde ich es für Sie malen, aber ich bitte, es mir aufrichtig mitzutheilen u [sic] ich mache etwas Anderes.“
Also sollte es hier – mag man Liebermann Glauben schenken – um den Maler-Genius gehen und nicht so sehr um Max Liebermann als Person.
Mit herzlichem Dank an unsere Praktikantin Liora Furema, die uns so tatkräftig unterstützt hat.