Eine schwarz-weiß Fotografie, die Leo Lewin zeigt. Er ist von der Seite rechts zu sehen und im dunklen Anzug gekleidet. Das linke Bein ist aufgestellt, auf dessen Knie er sich mit dem Arm abstützt.
Leo Lewin (1881–1965), Foto: unbekannt, aus: Palica 2010, o. S.

„Liebermann zu Hause“

02.3.2023 von Fenya Almstadt

Ein Blick in die Provenienzforschung zu einem Buch aus der Sammlung Leo Lewins

In einer vertiefenden Nachforschung im Rahmen des Seminars „Provenienzforschung zu Max Liebermann“ gemeinsam mit der TU Berlin, untersucht die Studentin Fenya Almstadt die Provenienz eines Buches aus der Sammlung von Leo Lewin.

Leo Lewin (1881–1965)

Der Textilfabrikant und Pferdezüchter Leo Lewin (1881–1965) begann nach dem Ersten Weltkrieg eine bedeutende Kunstsammlung zusammenzutragen, die vor allem Werke des 19. und 20. Jahrhunderts in Form von Gemälden, Zeichnungen und Plastiken umfasste. Zusammen mit seiner Frau Helene, geb. Koslowsky (1896–1976), residierte Lewin in einer Villa in der Akazienallee in Breslau, die von den Architekten Oskar Kaufmann und César Klein nach Lewins Wünschen umgestaltet wurde.

Eine schwarz-weiß Fotografie, die Leo Lewin zeigt. Er ist von der Seite rechts zu sehen und im dunklen Anzug gekleidet. Das linke Bein ist aufgestellt, auf dessen Knie er sich mit dem Arm abstützt.

Leo Lewin (1881–1965), Foto: unbekannt, aus: Palica 2010, o. S.

Mit seiner progressiven Ausrichtung – Lewins Sammlung enthielt viele Werke des Impressionismus, Expressionismus sowie des Kubismus – prägte er neben anderen Sammlern wie etwa Carl Sachs (1868–1943), Ismar Littmann (1878–1934) und Max Silberberg (1878–1942) maßgeblich den Kunststandort Breslau. Sie alle waren in den Kulturinstitutionen der Region, wie dem Künstlerbund Schlesien, sowie der Jüdischen Gemeinde aktiv und gestalteten das modern ausgerichtete Jüdische Museum Breslau mit.

Lewin galt dabei in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg als „der kaufkräftigste Sammler für neuere Kunst“. In seiner renommierten Sammlung waren neben Werken von Max Liebermann, u. a. solche von Max Slevogt, August Gaul, Paul Cezanne, Edvard Munch und Claude Monet vertreten.

Der Künstler und seine Sammlung

Neben der erwähnten Kunstsammlung besaß Lewin außerdem eine umfangreiche Bibliothek, zu der unter anderem die Sonderausgabe von Julius Elias‘ prachtvoll ausgestatteten Band „Liebermann zu Hause“ aus dem Jahr 1918 gehörte, welches der Autor anlässlich Liebermanns 70. Geburtstags verfasste. Dieses eigens für Leo Lewin gedruckte Exemplar ist mit einem persönlichen Druckvermerk versehen und in einem grünen Ledereinband eingeschlagen. Es ist, neben 21 weiteren Werken aus der Sammlung der Max-Liebermann-Gesellschaft, noch bis zum 13. März 2023 in unserer Ausstellung „Wenn Bilder sprechen. Provenienzforschung zur Sammlung der Liebermann-Villa“ zu sehen.

Das Exlibris von Leo Lewin: Es zeigt in einem rechteckigen Rahmen zwei steigende Pferde an den beiden Seiten, in der Mitte befindet sich eine Person, die versucht diese zu halten. Darunter steht geschrieben: Leo Lewin.

Auf der Rückseite des Vorsatzblattes ist ein von Max Slevogt entworfenes Exlibris angebracht, Max-Liebermann-Gesellschaft, Foto: Oliver Ziebe, Berlin.

Dass Lewin, ebenso wie Max Liebermanns Bruder Georg (1844–1926), eine Sonderausgabe des Buches womöglich mittels Subskription erhielt, verdeutlicht das vertraute Verhältnis zwischen dem Künstler und Lewin, der seine Kunst schätzte und förderte.

Auch sein Vater, Carl Lewin (1855–1926), pflegte bereits ein enges Verhältnis zu ihm: Er ließ sich 1917 und 1922 in drei Fassungen von Liebermann porträtieren; die erste schenkte er seinem Sohn Leo.

Bedingt durch die Weltwirtschaftskrise musste dieser jedoch einen erheblichen Teil seiner Sammlung bereits in den späten 1920ern verkaufen. Folglich ließ er 1927 bei Paul Cassirer und Hugo Helbing einen größeren Teil seiner Sammlung, darunter auch Liebermann-Werke, versteigern.

Eine weitere Auktion, bei der der Breslauer Sammler mehr als 50 Druckgrafiken (davon 16 Liebermann-Werke, aber nicht das Buch „Liebermann zu Hause“) einlieferte, fand 1935 im Buch- und Kunst-Antiquariat Max Perl statt. Wahrscheinlich ist, dass Lewin aufgrund des Drucks durch die vom NS-Regime erhobenen diskriminierenden Sonderabgaben hierzu gezwungen war.

Bereits ab 1933 sah Leo Lewin sich der antisemitischen Verfolgung durch die Nationalsozialisten ausgesetzt, später wurde seine Textilfabrik in Breslau im Jahr 1938 „arisiert“. Im Januar 1939 emigrierte er schließlich über South Hampton nach Bishop Auckland in Großbritannien, wo er erneut versuchte als Textilhändler Fuß zu fassen und gemeinsam mit Helene bis zu seinem Tod lebte.

Die Sammlung Lewin: bis heute zerschlagen

Ob Leo Lewin das Buch „Liebermann zu Hause“ mit ins britische Exil retten konnte, ist bis heute nicht eindeutig belegt.

In einem Bericht zur Auktion 1927 bei Paul Cassirer und Hugo Helbing wird erwähnt, dass Lewin bereits vor dieser Versteigerung einige wertvolle Objekte aus seiner Sammlung freihändig veräußert hatte. Fraglich ist jedoch, ob das Buch bereits vorher verkauft wurde, da es bedingt durch die persönliche Besitzangabe im Druckvermerk für Lewin vermutlich einen eher ideellen als monetären Wert gehabt haben dürfte. Demnach ist nicht sicher, ob die Erb*innen Lewins das Werk in den Berliner Kunsthandel einlieferten, wo es die Max-Liebermann-Gesellschaft 2001 erwarb.

Ausschnitt der Buchseite der Sonderausgabe für Leo Lewin, auf der der Druckvermerk abgedruckt ist. Es heißt hier: Das Werk wurde in 260 Exemplaren von der Reichsdruckerei hergestellt. Dieses Exemplar wurde für Leo Lewin, Breslau gedruckt.

Die persönliche Besitzangabe im Druckvermerk von Julius Elias, Liebermann zu Hause, 1918, Sonderdruck für Leo Lewin, Max-Liebermann-Gesellschaft, Foto: Oliver Ziebe, Berlin.

Viele Teile der Bibliothek Lewins sind heutzutage über die ganze Welt verstreut, sie lassen sich durch das von Max Slevogt entworfene Exlibris identifizieren. Auf welchem Weg diese in den internationalen Antiquitätenhandel gelangten, ist in den meisten Fällen jedoch unklar – ähnlich wie bei einigen Liebermann-Gemälden aus der ehemaligen Sammlung des Breslauer Textilhändlers. Diese befinden sich beispielsweise im Museum Kunst der Westküste oder in Privatbesitz.

Es bedarf demnach zukünftig eine Fortführung intensiver Provenienzrecherchen, um Sammlungen wie der Leo Lewins zu rekonstruieren und die Geschichte der einzelnen Kunstwerke nachvollziehen zu können.