„Ein Rätsel ist mir nur, wie diese Bilder in die für Linz bestimmte Sammlung gelangt sind“
12.1.2022 von Kunstverwaltung des Bundes
Zur Geschichte des Gemäldes „Mühlental von Amalfi“ von Carl Blechen
Noch bis zum 24. Januar 2022 sind die Landschaftsmalereien Carl Blechens in unserer Ausstellung „Carl Blechen. Das Einfachste und daher Schwerste“ zu sehen. Eines dieser Werke ist das „Mühlental von Amalfi“, das Blechen basierend auf seinen in Italien gefertigten Studien nach seiner einjährigen Reise von 1828 bis 1829 zurück in Berlin malte. Heute ist es nach wie vor im Besitz der Bundesrepublik Deutschland – doch welche Provenienzhinweise gibt das Werk? Die Provenienzforscher*innen der Kunstverwaltung des Bundes recherchierten zum Gemälde und teilen ihre Erkenntnisse zur Geschichte des Werkes auf unserem Blog, die eng mit den Jahren der NS-Diktatur verwoben ist und bis heute offene Fragen aufweist.
In der Geschichte des Bildes „Mühlental von Amalfi“ von Carl Blechen [Abb. 1], einer Leihgabe des Bundes an die Liebermann-Villa, gibt es verschiedene Rätsel, die nicht alle aufgeklärt sind.
Zu den Gewissheiten gehört, dass es sich zu Ende des Zweiten Weltkriegs in der Sammlung des „Führermuseums“ befand, das für Hitlers Heimatstadt Linz geplant war. Wie es dorthin gelangte, schien zunächst weniger klar. 1951 erklärte Ernst Karl Becker, der neue Inhaber eines Auktionshauses, dass dessen mittlerweile verstorbener Leiter, Hans Carl Krüger, das Gemälde in seiner Blechen-Sammlung gehabt hatte: „Ein Rätsel ist mir nur, wie diese Bilder in die für Linz bestimmte Sammlung gelangt sind“. Er erläuterte, Krüger habe sich von den Gemälden von Blechen in seinem Eigentum nicht trennen wollen. Er habe sie deshalb „im Jahre 1938 der Reichskanzlei [nur] leihweise zur Verfügung gestellt“. Es sei erstaunlich, dass das „Mühlental von Amalfi“ nicht „beim Brand der Reichskanzlei mit vernichtet worden“ sei. Aber war das wirklich so erstaunlich?
Das Gemälde wurde für das „Führermuseum“ angekauft
Tatsächlich lässt sich nachweisen, dass das Deutsche Reich das Gemälde in der Zeit des Nationalsozialismus für das sogenannte „Führermuseum“ angekauft hatte. Für dieses Museumsprojekt wurden zwar viele Kunstwerke erworben. Das Projekt wurde aber nie realisiert. Nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs lagerten die Nationalsozialisten die Kunstwerke zunächst zum Schutz in über 600 verschiedenen Depots aus. Mit dem Sieg der Alliierten stellten die Amerikaner die Kunstwerke dann sicher und brachten sie zentral nach München in den sogenannten „Central Collecting Point“. Schnell erkannten sie, dass die aufgefundenen Kunstwerke zum Teil aus Beschlagnahmungen und Zwangsveräußerungen stammten. Zum Großteil waren sie Personen entzogen worden, die zwischen 1933 und 1945 als Juden und Jüdinnen verfolgt worden waren. Das Ziel der Amerikaner war daher die Erforschung und wenn möglich die Rückgabe der aufgefundenen Kunstwerke an die rechtmäßigen Eigentümer bzw. Eigentümerinnen.
Rückgabe durch Provenienzforschung
Zu diesem Zweck durchforsteten die Amerikaner Bücher und Auktionskataloge und fragten bei noch lebenden Personen nach, die vielleicht etwas zur Geschichte eines Kunstwerks sagen konnten – wie zum Beispiel bei Ernst Karl Becker zum „Mühlental von Amalfi“. Die Ergebnisse ihrer Nachforschungen vermerkten sie auf Karteikarten, die für das Werk erhalten sind und den hilfreichen Hinweis auf eine Auktion vom 12. und 13. Mai 1942 beim Berliner Auktionshaus Hans W. Lange geben [Abb. 2.1 und 2.2].
Im Katalog der Auktion vom 12. und 13. Mai 1942 erscheint unter der Losnummer 224 ein Gemälde mit dem Titel „Mühlental bei Amalfi“. Anhand der Abbildung im Katalog kann das angebotene Werk als das Gemälde mit demselben Titel identifiziert werden, das sich jetzt in Bundesbesitz befindet. Die Losnummer „224“ ist noch heute auf dessen Rückseite zu finden [Abb. 3]. Als Einlieferer des Werkes wird im Auktionskatalog „Kr., Berlin“ genannt. Hinter der Chiffre verbarg sich Hans Carl Krüger, der insgesamt 20 Kunstwerke aus seinem Besitz zum Kauf in die Auktion gab. Das Deutsche Reich hat das Bild dann bei der Auktion für das „Führermuseum“ angekauft.Aufarbeitung des NS-Kunstraubes
Über die Gründe für Beckers unzutreffende Aussage lässt sich heute nur spekulieren. Möglicherweise hatte er kein Interesse daran, dass der ehemalige Inhaber des von ihm gerade übernommenen Auktionshauses mit Ankäufen für das „Führermuseum“ in Verbindung gebracht wurde. Viel weniger problematisch war da die Geschichte vom Kunstliebhaber Krüger, der sich von seinen Blechen-Gemälden nicht trennen wollte und sie nur auslieh. Beckers Auskunft zur Geschichte und vermeintlichen Zerstörung des Gemäldes „Mühlental von Amalfi“ macht deutlich, wie kritisch Aussagen und Erinnerungen von Personen und Institutionen beurteilt werden müssen, die zum Teil selbst in den NS-Kunstraub involviert waren.
Solche unzutreffenden Aussagen tragen dazu bei, dass es schwer ist, die Herkunft von Kunstwerken aufzuklären, die sich nach Übergabe der Amerikaner mittlerweile im Bundesbesitz befinden. Trotz umfangreicher Recherchen zum Gemälde „Mühlental von Amalfi“, gibt seine Provenienz nach wie vor Rätsel auf. Wann, wie und von wem erwarb Krüger das Werk?
Provenienzforschung des Bundes
Der Stand der Provenienzforschung zum Werk mit Quellennachweisen kann über die Provenienzdatenbank.Bund abgerufen werden. Diese verzeichnet sämtliche Kulturgüter aus dem „Central Collecting Point“, die sich noch heute in Bundesbesitz befinden. Ihre Provenienz wird proaktiv kontinuierlich von der Kunstverwaltung des Bundes erforscht. Darüber hinaus enthält die Provenienzdatenbank.Bund auch jene Werke, für die ein NS-verfolgungsbedingter Entzug ermittelt wurde und die seit dem Jahre 2000 vom Bund an die rechtmäßigen Eigentümer bzw. Eigentümerinnen zurückgegeben werden konnten.