Im Studiensaal der Liebermann-Villa begutachten drei Studierende verschiedene historische Publikationen und Druckgrafiken aus dem Sammlungsbestand der Liebermann-Villa.
Studierende des Seminars in der Liebermann-Villa am Wannsee, Februar 2022

Provenienzforschung zu Max Liebermann

02.11.2022 von Meike Hopp

Ein Seminar an der TU Berlin

Ein in Kooperation mit der Liebermann-Villa am Wannsee angebotenes Seminar „Provenienzforschung zu Max Liebermann“ am Fachgebiet Digitale Provenienzforschung der TU Berlin im Wintersemester 2021/22 führte Studierende in die komplexe Forschung zu NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut ein.Wenngleich bedingt durch die Pandemie ein Seminar vor Originalen nicht möglich war, haben die Kooperationspartnerinnen den Studierenden wertvolle Materialien bereitgestellt und alles ermöglicht, damit Praxisbezüge und Hands-On-Beispiele nicht fehlen mussten.

Das Seminar umfasste neben einer Einführung in Grundlagen auch Kurzreferate, die die kritische Analyse publizierter Provenienzen zu Liebermann-Werken zum Inhalt hatten und Lösungsansätze für die transparente, (auch visuell) übersichtliche Aufbereitung komplexer Provenienzketten im Ausstellungskontext diskutierten. Den Kern bildeten in Gruppen durchgeführte Recherchen zu Druckgrafik und Zeichnungskonvoluten aus der Sammlung der Liebermann-Villa, die begleitend zur Ausstellung „Wenn Bilder Sprechen“ als Beiträge hier auf dem Blog der Liebermann-Villa publiziert werden.

Dabei unternahm das Seminar auch den Versuch, eine valide quellen- und datenbasierte Übersicht zum „verschollenen“ Œuvre eines Künstlers zu erstellen, dessen Vita und Werk in ganz besonderem Maße von den sich überlappenden Mechanismen des NS-Kunst- und Kulturgutraubes betroffen war. Das Seminar hat sich zur Aufgabe gemacht, Methoden zu diskutieren, um eben jene bisher ausschließlich auf Erfahrungswerten einzelner Expert*innen basierenden Aussagen zur Verlagerung von Liebermanns Werk in der NS-Zeit zu hinterfragen. Ziel war es, erstmals quantitativ und damit auch transparent und nachvollziehbar diese Verlagerungen zu belegen und somit denjenigen Schicksalen gerecht zu werden, die wir bis dato noch gar nicht kennen, weil die Betroffenen nicht zu prominenten Sammler*innenkreisen gehörten.

Noch immer ist die effiziente Verknüpfung all jener für die Recherche nach den Objekten relevanten Daten eine der großen Leerstellen der Provenienzforschung. Diese erfolgt weiterhin überwiegend manuell und verliert sich gerade bei dem umfassenden Werk eines Künstlers wie Max Liebermann recht schnell in Unübersichtlichkeit. Deshalb muss die Provenienzforschung zu Liebermann oft zweimal hinsehen, um Kontexte zu verstehen, was das Thema jedoch auch so reichhaltig macht und für weitere Seminarkontexte prädestiniert.

Zum ersten Beitrag

Max Liebermanns Zeichnungen für Bruno Cassirer
Skizzenblätter der Goethe-Erzählungen Novelle und Mann von 50 Jahren
von Anja Matsuda

Prof. Dr. Meike Hopp ist seit 2019 Juniorprofessorin für Digitale Provenienzforschung an der Technischen Universität Berlin und assoziiertes Mitglied des Einstein Center Digital Future. Hopp ist seit 2018 Vorsitzende des internationalen Forschungsverbundes Arbeitskreis Provenienzforschung e. V., seit 2021 zudem Vorsitzende des Kuratoriums des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste Magdeburg.