Blick in das Warhol-Zimmer mit dem originalen Porträts Goethes aus dem Jahr 1982 von Andy Warhol © Museum Casa di Goethe, Foto: Enrico Fontolan
Blick in das Warhol-Zimmer mit dem originalen Porträts Goethes aus dem Jahr 1982 von Andy Warhol © Museum Casa di Goethe, Foto: Enrico Fontolan

Das Museum Casa di Goethe – ein Ort mit Geschichte

27.6.2024 von Dr. Claudia Nordhoff, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Museum Casa di Goethe

Im Herzen Roms, in der Via del Corso 18 nahe der Piazza del Popolo, liegt das Museum Casa di Goethe, das Haus, in dem der Dichter von 1786 bis 1788 die glücklichste Zeit seines Lebens verbrachte.

Museum Casa di Goethe

Das Museum Casa di Goethe in der Via del Corso 18 © Museum Casa di Goethe, Foto: Giorgio Benni

 

Erschöpft von den Amtsgeschäften für den Herzog von Weimar, frustriert über seine unausgelebte Liebe zu Charlotte von Stein und verzweifelt wegen seiner stockenden schriftstellerischen Produktivität hatte Johann Wolfgang von Goethe im September 1786 beschlossen, Weimar in einer heimlichen Flucht den Rücken zu kehren und nach Rom aufzubrechen. Die Ewige Stadt war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zum Zentrum der „Grand Tour“ geworden, adlige, wohlhabende Reisende aus ganz Europa erfüllten die Straßen und besichtigten die Antiken und Gemäldesammlungen. Auf ihren Spuren folgten die Künstler, die die Wünsche der „Grand-Touristen“ nach Andenken aller Art erfüllten. In der Menge befanden sich auch drei junge deutsche Maler: Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, Friedrich Bury und Johann Georg Schütz. Sie hatten sich im zweiten Stock der Via del Corso 18 eingemietet, wo das Ehepaar Sante Serafino und Piera Giovanna Collina eine Pension betrieb. Es gab auch ein Gästezimmer. Und als Goethe, der seit 1781 mit Tischbein in brieflichem Kontakt stand, am 1. November 1786 in Rom eintraf, quartierte dieser ihn ohne große Umstände im Hause Collina ein.

Blick

Blick in das Tischbein-Atelier mit der Kopie nach Tischbeins „Goethe in der Campagna“ (1786/87) und den „Interventionen“ der Kunststudierenden der Weißensee Kunsthochschule Berlin, die 2023 zu Eingriffen in der Dauerausstellung eingeladen wurden © Museum Casa di Goethe, Foto: Giorgio Benni

 

Für „Giovanni Filippo Miller“, so das von Goethe gewählte Pseudonym, begann eine intensive Zeit. Er besichtigte, lernte und reiste, er schrieb und las, feierte Feste und hatte zum Schluss auch eine Geliebte, die geheimnisvolle Faustina, der er in den „Römischen Elegien“ ein Denkmal setzte. Und als er Rom nach anderthalb Jahren wieder in Richtung Norden verließ, war er ein anderer: „In Rom hab ich mich selbst zuerst gefunden“ (Goethe, Italienische Reise, 14. März 1788).

Blick

Blick in das Goethe-Zimmer mit der Vergrößerung von Tischbeins Zeichnung (um 1787), die Goethe beim Bettenmachen zeigt und den „Interventionen“ der Kunststudierenden der Weißensee Kunsthochschule Berlin, die 2023 zu Eingriffen in der Dauerausstellung eingeladen wurden © Museum Casa di Goethe, Foto: Giorgio Benni

 

Goethes Anwesenheit hinterließ tiefe Spuren bei den Hausgenossen. Tischbein porträtierte den berühmten Gast als „Wanderer auf dem Obelisk“ (Goethe, Brief an Tischbein, 16.01.1822) und debattierte mit ihm über den Zusammenhang von Kunst und Dichtung, Schütz führte ihn durch das antike Rom und illustrierte später Goethes „Römischen Karneval“, und Bury, von Goethe liebevoll sein „zweiter Fritz“ genannt (der erste war der Sohn von Charlotte von Stein) traf den Dichter 1790 in Venedig wieder und besuchte ihn schließlich 1799 für fast ein Jahr in Weimar.

Von der Künstler-WG haben sich nur die Räume erhalten, nicht aber das Mobiliar oder andere Einrichtungsgegenstände. Heute empfangen den Besucher die Werke Tischbeins, Schütz` und Burys, aber auch anderer Künstler, die Goethe in Rom und Neapel frequentierte wie zum Beispiel Jakob Philipp Hackert, Christoph Heinrich Kniep und Angelika Kauffmann, die den Dichter jeden Sonntag bei sich zum Essen empfing. Gezeigt werden Ansichten von Rom und Süditalien zur Goethezeit, aber auch wertvolle Bücher wie die bei dem Verleger Göschen erschienene, von Goethes römischen Künstlerfreunden illustrierte Erstausgabe seiner Werke oder Johann Joachim Winckelmanns berühmte „Geschichte der Kunst des Alterthums“ (1764), von Goethe in Rom mit Gewinn gelesen. Inspiriert vom römischen Licht, führte er hier auch seine Studien zur Farbenlehre durch, denen ein Kabinett gewidmet ist. Ein Höhepunkt der Sammlung ist das Bildnis Goethes von Andy Warhol, 1982 auf der Basis von Tischbeins Porträt ausgeführt.

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Blick in das Warhol-Zimmer mit dem originalen Porträts Goethes aus dem Jahr 1982 von Andy Warhol © Museum Casa di Goethe, Foto: Enrico Fontolan

 

Tischbeins Goethebildnis selbst hängt heute im Frankfurter Städel Museum: Da es im großen Eckraum in der Via del Corso 18, dem Atelier des Malers, ausgeführt wurde, ist es hier in einer originalgroßen Kopie von Georgi Takev zu sehen. Der Rundgang führt den Besucher durch die Bibliothek, Tischbeins Atelier und Goethes Zimmer bis in die Räume der Wechselausstellungen, die generell dem deutsch-italienischen Kulturaustausch gewidmet sind und einen weiten Bogen von der Goethezeit bis hin zur zeitgenössischen Kunst spannen.

Die Casa di Goethe ist aber nicht nur Museum, sondern auch ein Ort der Begegnung.[1] Im Vortragssaal im zweiten Stock finden regelmäßig Veranstaltungen statt – Lesungen, Vorträge, Tagungen, Diskussionen und Konzerte, denen immer noch ein lockeres Beisammensein folgt, das Gelegenheit zum Austausch mit den Vortragenden gibt. Im Publikum finden sich gleichermaßen Deutsche wie Italiener: Goethe, als einer der berühmtesten Rombesucher, ist bis heute im Bewusstsein der Römer und Römerinnen präsent. Die Erinnerungen an seinen Aufenthalt lebendig zu halten und den Auswirkungen seiner Reise bis in unsere Zeit nachzuspüren, wird weiterhin Aufgabe des Museum Casa di Goethe sein, auch in Kooperation mit den anderen in Rom ansässigen deutschen Instituten und den italienischen Partnern.

 

Dr. Claudia Nordhoff, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Museum Casa di Goethe

 

[1] Das 1997 gegründete Museum Casa di Goethe ist das einzige deutsche Museum im Ausland. Einen Einblick in die Sammlung gibt der 2017 erschienene Bestandskatalog (Claudia Nordhoff, Casa di Goethe, Bestandskatalog. Mit einem Vorwort von Maria Gazzetti, 2 Bände, Rom 2017).